Die Hintergründe des Lucid Air
Gut Ding will Weile haben. Der kalifornische E-Auto-Hersteller Lucid Motors wurde bereits 2007 gegründet und brachte nun endlich sein erstes Modell nach Europa, den Lucid Air. Die viertürige Limousine, bei der bereits auf den ersten Blick Avantgarde mit Eleganz verschmilzt, ohne dass sich die Designer selbst zu wichtig nahmen, kann nun seit Kurzem in München bestaunt und berührt werden, im neuen Lucid-Flagshipstore in bester Lage am Odeonsplatz. So richtig Schwung in die Geschichte der Firma kam mit dem Briten Peter Rawlinson als Vorstandschef, der einst Chefingenieur bei Tesla war. Als er kurz vor Serienreife des Model S zu Lucid wechselte, brach die Tesla-Aktie um 20 Prozent ein. Elon Musk war not amused, erst recht nicht, als in Rawlinsons Windschatten eine Reihe weiterer Top-Manager nur 15 Kilometer weiter nördlich in Lucids Hauptquartier wechselten, darunter mit Peter Hochholdinger und Eric Bach auch zwei Schlüsselfiguren mit deutschen Wurzeln. Der ehemalige Audi-Mann Hochholdinger gilt als Mastermind, wenn es darum geht, aus kühnen E-Auto-Träumen verkaufbare Produkte zu schaffen. Für Audi plante und baute er in der Wüste Mexikos eine Fabrik für den Q5, für Tesla die Produktionsanlagen für das Modell 3 in Kalifornien und Europa, die dem E-Auto-Pionier erst den Eintritt in den Massenmarkt ermöglichten. Und dann begann Hochholdinger auch für Lucid Motors mit einem weißen Blatt Papier. Diesen Druck muss man mögen. Chefentwickler Eric Bach, der vor Lucid und Tesla mehrere Jahre bei Volkswagen agierte, scheint aus ähnlich hartem Holz geschnitzt zu sein. Der hohe Anteil an Eigenentwicklungen beim Lucid Air zeugt von der Innovationskraft des ehemaligen Tesla-Teams. Neben einer Gewichtsoptimierung aller Komponenten flossen über 150 Patente in die Entwicklung des Lucid Air, die sich von zentralen Elementen wie dem Motor, der viel kleiner und effizienter als alle Konkurrenzmodelle sei, bis zur kompletten Überarbeitung der Scheinwerfertechnik erstrecken. Lucids absolutes Aushängeschild ist jedoch die Batterietechnik. Die Stromspeicher der Kalifornier werden bereits seit Jahren als Standard in der Formel E eingesetzt.
Lucid Air Design und Ausstattung
Mit all dem Rückenwind erlebt man nun am Odeonsplatz ein Auto, das sich in der Premieren-Version wie der Supertrumpf im E-Auto-Quartett präsentiert. Als Lucid Air Dream Edition Performance ist er mit 1.111 PS auf brutale Leistung getrimmt und beschleunigt in 2,7 Sekunden auf 100 Stundenkilometer, womit er selbst den Porsche Taycan Turbo S um einen Wimpernschlag unterbietet. Und das bei einer Reichweite von fast 800 Kilometern. In der Range-Variante sinkt die Leistung zwar ein wenig auf 933 PS, dafür steigt die Reichweite sogar auf 900 Kilometer bei besonnenem Gasfuß. Kombiniert mit einem 924-Volt-Bordnetz für extra- schnelle Ladezeiten, ist Lucid Motors damit im Moment das Maß aller Dinge. Mit der Besonnenheit vorbei ist es allerdings beim Blick auf die Preisliste: Beide Top-Modelle durchbrechen schwungvoll die Schallmauer von 200.000 €. Auch die weiteren Varianten bis hin zum Lucid Air Pure mit 480 PS und 650 Kilometern Reichweite bleiben stolz im sechsstelligen Bereich. Dafür bekommt man aber auch ein Auto, wie man es nicht alle Tage sieht. Der viertürige Elektro-Sedan mit seiner ruhigen Frontpartie ganz ohne Kühlergrill, die nur von den schmalen Scheinwerfer- schlitzen der selbst entwickelten Intelligent-Micro-Lens-Array-Technologie unterbrochen wird, wirkt wie eine klassische Schönheit aus einer nahen Zukunft. Die Designer um den Amerikaner Derek Jenkins haben insgesamt 32 Fahrassistenz-Sensoren nahezu unsichtbar in die Karosserie integriert. Eine Karosserie, die mit ihren fließenden Formen und auffällig nach innen gezogenen Seitenlinien für einen Luftwiderstandsbeiwert von nur 0,21 sorgt und den Lucid Air damit zur aerodynamischsten Elektrolimousine der Welt macht, auf Wunsch gerne mit den Leistungen eines Supercars. Mit einer Höhe von nur 1,41 Metern ist der Air auch nicht viel höher als viele Sportwagen. Fast fünf Meter Länge und 2,20 Meter Breite sind ungefähr die Ausmaße eines 5er BMWs, die allerdings einen Innenraum von der Großzügigkeit einer S-Klasse-Langversion umhüllen. Das luxuriöse Interieur zeigt sich angemessen edel und hochwertig in der Materialauswahl und ebenfalls mit angenehm ruhiger Hand gezeichnet. Die akribische Detailverliebtheit verscheucht dabei jeden Gedanken daran, dass es sich um das erste Modell eines neuen Herstellers handelt. Die Erfahrung der Macher kann man förmlich spüren. Positiv fesselnd ist das 34-Zoll-Glas-Cockpit-Panel, das geradezu um den Fahrer herum- schwebt und alle Daten in brillanter 5K-Auflösung zeigt. Sofort ins Auge fällt auch das große Panoramadach aus Glas, das mit der Frontscheibe übergangslos verschmilzt und weit bis hinter die Köpfe der Insassen reicht. Ein Wow-Auto wohin man blickt, aus dem man ungern wieder aussteigen möchte, egal, auf welchem Platz man sitzt. Da trifft es sich gut, dass mit insgesamt 739 Litern, aufgeteilt auf je einen Kofferraum vorne und einen hinten, auch genügend Stauraum für das Reisegepäck zur Verfügung steht.
Konfiguration hautnah erleben
Wie alle Newcomer setzt Lucid Motors auf den Direktvertrieb. Man kann sich seinen persönlichen Air auf der sehr informativen Website konfigurieren und dann im Showroom am Odeonsplatz Look und Haptik vor Ort erleben. Mittels VR-Brille lassen sich auch noch weitere Farb- und Design-Varianten in beeindruckender virtueller Realität bestaunen. Apropos beeindruckend: Dem legendären TV-Star und Autosammler Jay Leno hat Peter Rawlinson verraten, dass der Performance Air 330 km/h erreichen würde, man ihn aber mangels Reifenfreigabe lieber bei 270 km/h abgeriegelt habe. Man wolle ja nicht übertreiben.