Fueguia
Perfume goes global. Früher war die Parfümwelt in Paris beheimatet, heute kommen Düfte aus der ganzen Welt. In Argentinien entstand die Parfümmarke Fueguia 1833 Patagonia, deren Gründer Julian Bedel den Duft der Pflanzenwelt Südamerikas in ebenso markante wie elegante Kunstwerke übersetzt.

Bis weit in die 1970er-Jahre hinein trank der Whiskyfan verblendeten Whisky, etwa den Scotch von Johnny Walker, der von den Machern als stets gleich schmeckende globale Marke mit hohem Wiedererkennungswert konzipiert wird. Heute trinkt der Kenner Single Malt Whisky. Der stammt immer aus einer bestimmten Destillerie, spiegelt somit geschmacklich deren geografische Verortung wider und darf von Abfüllung zu Abfüllung variieren. Regionalität, Herkunft und die Transparenz der Herstellungsverfahren liegen in vielen Bereichen voll im Trend: Terroir- statt Supermarktwein, Käse aus der kleinen Bio-Käsemanufaktur, Mode aus lokalen Schneiderateliers oder maßgefertigte Fahrräder von der Bike-Werkstätte um die Ecke. Im Mainstream-Parfümbereich spielt das Lokale bisher allerdings keine große Rolle. Designer-Brands sind zwar mit dem Flair von Luxusmetropolen wie Paris oder Mailand verknüpft, die Kompositionen sind aber vom Geruch her austauschbar angelegt und sollen möglichst viele Kunden weltweit ansprechen.

Anders zeigt sich die Situation im Bereich der Nischenparfümerie. Mittlerweile stammen Nischenbrands aus teils exotischen Ländern, die noch vor einem Jahrzehnt nicht mit Parfüm in Verbindung gebracht worden sind. Auch hier punkten heute die regionale Eigenart und das Authentische. Aus Südamerika kamen bisher nur wenige Parfümlabels. Eines der spannendsten ist fraglos das 2010 in Buenos Aires gegründete Parfümhaus Fueguia 1833 Patagonia. Dabei sind die lokale Verwurzelung und die südamerikanische DNA der Fueguia-Düfte Ergebnis ihrer Entstehungsgeschichte und nicht lediglich eine clevere, trendorientierte Marketingentscheidung. Alles begann mit der unstillbaren Neugierde des späteren Fueguia-Gründers Julian Bedel, der auf dem Land im argentinischen Osten Patagoniens aufwuchs und sich bereits als Kind für Gerüche jeder Couleur inte-ressierte. Nicht nur für die Pflanzen seiner Umgebung, sondern auch für künstliche Gerüche, wie den Geruch von Fabriken, von Autos oder von Öl. Irgendwann fiel sein Entschluss, mit Gerüchen zu arbeiten. Da die Pflanzen seiner Umgebung leicht verfügbar und synthetische Duftstoffe damals in Argentinien kaum zu bekommen waren, fokussierte sich Bedel auf natürliche Riechstoffe. Zuerst beschäftigte er sich akribisch mit der heimischen Pflanzenwelt, die eine Unmenge verschiedenster, aus unterschiedlichen Klimazonen stammende Arten zu bieten hatte. Dann lernte er, wie man aus den Pflanzen Duftstoffe extrahiert, mit dem Ziel, daraus Parfüms zu kreieren, die seinen künstlerischen Ideen und der Natur seiner Heimat eine emotionale Sprache verleihen würden. Ein weiter Weg. Nicht zuletzt musste er noch autodidaktisch lernen, wie man Parfüms komponiert. Zugute kam ihm dabei seine Kindheit in einer Künstler- und Musikerfamilie, denn Bedel weiß, dass Komposition harte Arbeit bedeutet. „Man muss seine Palette und sein Handwerkszeug kennen und wissen, wie sich Dinge verhalten. Außerdem muss man eine unstillbare empirische Neugierde haben, aufmerksam beobachten und die Erfahrungen jederzeit abrufbar speichern“, so der Argentinier. Fragt man ihn nach den Inspirationen für seine Parfüms, antwortet er schnell: „Das kann alles sein! Natürlich ein bestimmter Rohstoff, dem ich eine Komposition als Hommage widmen möchte. Aber auch Literatur, ein fiktiver Charakter, eine historische Figur, eine Landschaft oder eine abstrakt-poetische Idee.“ Und so sind seine Parfüms jeweils Teil einer Kollektion: „Fábula Fauna“ ist von bestimmten Tieren inspiriert, „Personajes“ von historischen Figuren wie Alexander von Humboldt oder Charles Darwin und die brandneue Kollektion „El Mundo de los Ouds“ hat u. a. mehrere südamerikanische Oud-Varianten als Rohstoffe.

Mittlerweile ist die Marke erheblich gewachsen, spätestens, seit Bedel Ende 2014 nach Italien auswanderte. In Mailand ließ er ein 1.000 qm großes Labor bauen und in Uruguay die „Fueguia Botany“, eine 
50 Hektar große Plantage mit Labor, um so weit wie möglich autark zu produzieren und die hohen eigenen Nachhaltigkeits-Standards leben zu können. Über 100 Düfte hat Fueguia heute im Programm, eine beeindruckende Zahl, die aber auch Fragen aufwirft. „Warum so viele, verliert der Kunde da nicht den Überblick?“ Julian Bedel lacht: „Das werde ich oft gefragt. Aber dies ist nun einmal das, was ich mache: Parfüms kreieren. Ich möchte mich nicht einschränken lassen. Zudem sind meine Parfüms in Geruchsgruppen unterteilt. Wenn sich jemand z. B. für Lederdüfte interessiert, reduziert sich das Sortiment schon auf aktuell lediglich fünf Produkte.“ Damit die Kunden im olfaktorischen Universum der Marke nicht verloren gehen, ist man lediglich in wenigen ausgesuchten Parfümerien vertreten. „Die ganze Magie lässt sich aber nur in unseren eigenen Galerien erleben“, schwärmt der Parfümeur. Weltweit hat Fueguia aktuell acht Shops, u. a. in Mailand, New York, Tokio und London. Dass Bedel seine Shops Galerien nennt, hängt mit der Entstehungsgeschichte der Brand und dem eigenen künstlerischen Background zusammen. Die Präsentation seiner ersten 15 Parfüms auf einem Tisch in einem mit Samt ausgeschlagenen Raum war eigentlich als Kunstinstallation angelegt. Dass viele der Besucher die Düfte dann kaufen wollten, markierte den Beginn als kommerzielle Marke. Im Wesentlichen hat sich die Präsentationsform bis heute nicht verändert, sie kommt nur ungleich schicker daher. Ein riesiger Tisch ist das Herzstück jeder Galerie. Hier stehen – sortiert nach olfaktorischen Gruppen, wie z. B. holzig, würzig, floral oder aromatisch – die Parfüms. Über sie sind Gläser gestülpt, an denen man riecht. In den Gläsern sind alle Facetten des Parfüms zu riechen, die üblichen Papier-Teststreifen „schlucken“ bestimmte Noten und bilden Parfüms nicht richtig ab. Zudem kann der Kunde so die Düfte auf dem Tisch spielerisch und vor allem auch autonom testen und sich in aller Ruhe durch die ganze Welt der Fueguia-Parfüms treiben lassen.

Aber wie riechen nun diese Düfte? Es bleibt eine große Herausforderung, edle, charaktervolle natürliche Rohstoffe so in eine Komposition einzubinden, dass das fertige Parfüm die Natur nicht lediglich abbildet, sondern erhöht, in ein duftendes Kunstwerk übersetzt. Das gelingt Julian Bedel ganz wunderbar: Seine Parfüms duften natürlich, fein und unaufgeregt und schaffen das, was nur gute Kunst vermag: eine Geschickte zu erzählen, die emotional berührt und einen in Herz und Gedanken begleitet.