Verrückt nach Jelly – Bompas & Parr

Bompas & Parr
17 Rushworth Street
UK-London, SE1 0RB
Tel. 0044/20/7403/9403
www.bompasandparr.com

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Sam Bompas und Harry Parr aus London erschaffen aus Wackelpudding essbare Wunderwelten – wahnsinnig köstlich, total abgefahren und garantiert glibberig.

Wir befinden uns im Jahre 2007 nach Christus. Die ganze Welt glaubt, dass Wackelpudding ein furchtbares Fertigprodukt für Kindergeburtstage ist … Die ganze Welt? Nein, in einer kleinen Küche an den Ufern der Themse wollen zwei junge Männer dem dunklen Zeitalter der Götterspeise ein Ende bereiten.

Die beiden „Jellymongers“, wie sich Sam Bompas und Harry Parr nennen, wissen, dass es Zeiten gab, da Götterspeise das Highlight eines jeden Festbanketts war. Angeblich gab es sie bereits im alten Ägypten. Und obwohl auch Heinrich VIII schon eine Vorliebe für ihn gehabt haben soll, erlebte der Wackelpudding seine Blüte im Viktorianischen Zeitalter von der Mitte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, in der er in allen erdenklichen Formen, Farben und Geschmacksrichtungen serviert wurde. England erntete gerade die Früchte der Industrialisierung und tischte bei Adelsbanketten und der reichen Oberschicht spektakuläre Jellys auf, die nicht nur höchsten Genuss versprachen, sondern echte Eyecatcher waren.

Am Anfang der beeindruckenden Karriere verteilt das schrille Duo seine Kreationen jedoch erst einmal an undankbare Pfadfinder – gratis versteht sich. Den aufgemotzten Pudding-Rezepten folgen dann aber schnell immer ausgefallenere Fantasien, die stets spektakulär in Szene gesetzt werden. Heute liest sich die Liste der von Bompas & Parr verwirklichten Projekte wie der Wunschzettel kühnster Kinderfantasien: Minigolfanlagen mit Hindernissen aus Wackelpudding auf dem Kaufhaus Selfridges, Freeclimbing-Wände aus Schokolade oder ein Kaugummi, das seinen Geschmack beim Kauen ständig verändert und natürlich nicht zäh und geschmacklos wird. Da schweben farbige Duftwolken durch die Luft und mit Aromen gefüllte Seifenblasen. Es regnet Bananenkonfetti und Pfirsichflocken. Bompas & Parr betreiben einen Party-Pudding-Explosionsservice, setzen einfach mal ein ganzes Schiff auf einen See aus Fruchtpunsch und bringen Wackelpudding im Dunkeln zum Leuchten.

Ihre Food-Art-Kreationen wackeln sich unbeirrt in die elitäre Partyzone des Jetsets. Auf einer Ausstellung versprühen sie einen Gin-Tonic-Nebel, der seine Wirkung beim Einatmen entfaltet. Bei einem „Dirt Banquet“, das von der Stiftung Wellcome Trust veranstaltet wird, gibt es goldgelbe Wackel-Brüste aus Highland-Whisky, in deren Brustwarzen kleinste Partikel aus Blattgold glitzern und an denen bedeutungsschwanger eine mit Ambra aromatisierte, milchigweiße Sauce herunterrinnt. Für Kate und Prinz William kreieren sie zur Hochzeit – deutlich züchtiger, aber dennoch imposant – einen orange-glibbernden Buckingham Palace. Und einmal füllen sie ein Gebäude mit mehr als vier Tonnen Cognac-Bowle – genug für die 25.000 Besucher, die durch den Bowle-See rudern und sich nach der Überquerung einen Schluck aus demselben genehmigen.

Mittlerweile ist aus der Idee am Küchentisch ein florierendes Unternehmen geworden. Die beiden werden bei ihren Kreationen von hochdotierten Wissenschaftlern, Architekten und Technikern unterstützt. Sie erforschen Aromen in allen erdenklichen Aggregatszuständen, experimentieren und lassen gegen entsprechende Bezahlung bunte Traumwelten entstehen. Ihnen geht es um die Inszenierung des Ganzen als Gesamtkunstwerk. Alle Elemente – das Visuelle, der Geschmack, der Duft, der Sound – alles muss perfekt zusammenpassen. Es sind diese Synästhesien, die die beiden Künstler für das Publikum erfahrbar machen wollen. Sie wollen zeigen, wie stark der Geschmack von Performance und Setting beeinflusst wird.

Die Uridee aber, Götterspeise nicht nur als getuntes Dessert zu verkaufen, sondern als Kunstwerk zu inszenieren, lässt Bompas & Parr in den Olymp der Foodszene aufsteigen. Sie haben sich dafür den perfekten Werkstoff ausgesucht: Jelly ist transparent, lässt sich in nahezu jede Form gießen, mit jedem Aroma veredeln und in jeder Farbe herstellen. Was die beiden Food-Artisten der Welt auftischen, ist originell und geistreich, erfrischend respektlos und garantiert glibberig.

Doch damit nicht genug. So ganz nebenbei revolutionieren sie mit ihren Erfindungen und Spektakeln auch die zeitgenössische Kunst. Ob mit einer Ausstellung im San Francisco Museum of Modern Art oder mit Vorträgen am Royal Institute of British Architects – Sam Bompas und Harry Parr ist kein Schuh zu groß. Sie haben offensichtlich aufgepasst am berühmten Eton College, wo sie gemeinsam die Schulbank gedrückt haben: Der britische Independent ist sich sicher, dass die beiden zu den 15 Leuten zählen, die die Zukunft der Kunst in Großbritannien definieren werden.

Wer jetzt Lust hat, das eine oder andere Rezept auszuprobieren, kann auf mehrere Bücher zurückgreifen, die sie mittlerweile mit ihren Rezepten füllen. Allerdings sollte man genau auf die Mengenangabe achten – die variiert schon mal: Manche sind für 20 andere für 33.000 (!) Portionen.