Mayer´sche Hofkunstanstalt

Mayer’sche Hofkunstanstalt
Seidlstraße 25
80335 München
Tel. 089/5459620
www.mayersche-hofkunst.de

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Umgeben vom Verkehrslärm rund um den Stiglmaierplatz wirkt der heutige Firmensitz der Mayer’schen Hofkunstanstalt in der Seidlstraße 25 beinahe wie aus der Zeit gefallen und fast gewaltsam eingezwängt in die gesichtslose moderne Büroarchitektur rundherum. „F. Mayer – Glasmalerei – Mosaik“ prangt in goldenen Lettern an der Fassade des von Stadtbaumeister Theodor Fischer 1923 erbauten Architekturjuwels. Womit auch schon kurz und knapp die Tätigkeitsbereiche des Münchner Familienunternehmens umrissen wären, das erstaunlich wenige Einheimische kennen. Seltsam, mag man denken, wenn man sich die 174-jährige beeindruckende Firmengeschichte und den heutigen Ruf der Mayer’schen Hofkunstanstalt als eine der weltweit führenden Mosaik- und Glaskunstwerkstätten vor Augen führt. Vielleicht hat es einfach damit zu tun, dass das Gros des weitläufigen Mayer’schen Gebäudekomplexes, der noch in den 1930-Jahren aus einer imposanten Villa und Werkstattgebäuden für 500 Mitarbeiter bestand, durch die Bombardements im Zweiten Weltkrieg spurlos aus dem Stadtbild ausradiert wurde. Oder damit, dass die Eheleute Petra und Michael Mayer, die das Unternehmen seit 2013 in der fünften Generation führen, lieber ihre Projekte für sich sprechen lassen, statt den großen Auftritt zu suchen. Das Portfolio an Arbeiten ist imposant und reicht vom Einzelkunstwerk über Kunst-Editionen bis hin zu Public Art und moderner Sakralkunst. Mit ihren ausladenden Mosaiken für New Yorker Metrostationen, wie der in flirrenden Farben gesetzten Arbeit „Soundsuites“ von Nick Cave oder den Mosaiken für
die Sultan Qaboos Grand Mosque im Oman, sorgte das Unternehmen in den letzten Jahren international für Aufsehen. In der Heimat München hat man zum Beispiel die Glaspaillettenmosaike in den Fünf Höfen oder die Installation „Gang der Erinnerung“ in der Synagoge am Jakobsplatz gestaltet. Doch egal, wo die Projekte letztendlich ihren Platz finden – umgesetzt werden sie stets komplett in der Seidlstraße.

Betritt man den Firmensitz, umfängt einen sofort eine Aura von fast sakral wirken- der Ruhe, die in scharfem, wohltuendem Kontrast zum Lärm und der Hektik vor der Tür steht. Um den Mikrokosmos Mayer’sche Hofkunstanstalt besser kennen und verstehen zu lernen, sind wir hier mit Petra Mayer zum Gespräch verabredet. Die Dame des Hauses, studierte Architektin, erscheint. Quirlig, ebenso schnell wie präzise formulierend und offensichtlich bis in die Haarspitzen mit Energie geladen. „Ich komme gerade aus den Bergen, dann ist das immer so“, erzählt sie. Wir begleiten sie zunächst bei ihrem allmorgendlichen Gang durch die Werkstätten. Dabei lernen wir Mitarbeiter kennen, die sich ihrem jeweiligen Handwerk mit meditativer Hingabe widmen, laufen an Tausenden von minutiös in Form gebrachten Mosaikbruchstücken vorbei, an einem Lager mit farblich breit gefächerten, aus Murano und Mexiko stammenden gegossenen Glaskuchen, an einer Regalwand voller Auftragsbücher aus dem 19. Jahrhundert und an ausladenden Maschinen, wie einer eigens für die Firma gefertigten digitalen Druckmaschine für keramische Schmelzfarben. Weiter passieren wir Glas- und Mosaikkunstwerke aus allen Schaffensphasen des Unternehmens und Räume, deren Dimensionen hinter riesigen Atelierfenstern immer wieder überraschen. Das Gebäude dient gleichermaßen als Werkstatt, Verwaltungsgebäude, Ausstellungsraum und Wohnung der Familie Mayer und wirkt, bei aller modernen Funktionalität, mit seinen Elementen aus Neugotik und Neoromanik wie ein Hybrid aus verwinkeltem Schloss und weltvergessenem Kloster. Wenn die 11- und 15-jährigen Söhne von Petra und Michael Mayer zum ersten Mal Schulfreunde mit nach Hause bringen, entfährt diesen deshalb nicht selten der Satz: „Das ist ja wie bei Harry Potter!“

Als wir Petra Mayer nach dem Rundgang, von den zahlreichen Eindrücken beinahe überwältigt, gegenübersitzen, gilt dann auch unsere erste Frage dem Gebäude und der Rolle, die sie als Architektin bei der Renovierung gespielt hat. „Als ich 1993 ins Haus kam, hatte ich gerade meinen ersten Auftrag als selbstständige Architektin, den Umbau der Diskothek P1, abgeschlossen“, erzählt sie. „Meinen Schwiegervater, Gabriel Mayer, der das Unternehmen damals zusammen mit seinem Bruder Konrad leitete, beeindruckte das und er hat mir schnell den dringend nötigen Umbau der Mayer’schen Hofkunstanstalt anvertraut, die sich in ziemlich desolatem Zustand befand.“ Wobei Petra Mayer hinzufügt, dass ihr architekturaffiner Mann, der im Rahmen seiner Ausbildung zum Mosaikbildner im Friaul in Italien auch Architekturzeichnung gelernt hat, hierbei ebenfalls eine zentrale Rolle spielte. Zugute kam dem jungen Ehepaar, dass jene Räume, die nach dem Krieg an die Technische Universität vermietet waren, in den 1990er-Jahren wieder frei wurden. Da Petra Mayer bereits im Studium ein Faible für den, moderne Funktionalität und traditionelle Formensprache verbindenden Architekturstil Theodor Fischers hatte, war es ihr wichtig, mithilfe der originalen Baupläne die ursprüngliche Gestalt des Gebäudes „archäologisch“ wiederherzustellen. So wurden etwa später eingezogene Trennwände wieder entfernt oder in der ehemaligen Pförtnerloge ein neugotisches Gewölbe freigelegt.

Der Umbau markierte aber auch den beginnenden, nicht immer reibungslosen Generationenwechsel von der vierten zur fünften Generation Mayer. Gegen den anfänglichen Widerstand seines Vaters implementierte Michael Mayer in der Firma zu diesem Zeitpunkt modernste Technik, zum Beispiel Computerprogramme zum digitalen Vergrößern von Entwürfen für Mosaike und Glaskunst. Auch heute ist er noch die treibende Kraft hinter den technischen Innovationen im Haus. Zudem fand gleichzeitig ein künstlerischer Umbruch statt, der dem etwas angestaubten Image der ursprünglich weitgehend in der sakralen Kunst verorteten Mayer’schen Hofkunstanstalt neue Impulse verlieh. Moderne Künstler wie Bryan Clarke, der „Rockstar der Glaskunst“, arbeiteten nun mit den Werkstätten zusammen und brachten einen neuen Spirit ins Haus. „Obwohl diese Entwicklung Gabriel und Konrad Mayer im Wesen fremd war, waren sie den neuen zukunftsweisenden Strömungen gegenüber aufgeschlossen. Ich denke, genau das war immer die Mayer-DNA“, konstatiert Petra Mayer: „Zuverlässig Zukunftspotenzial erkennen und verstehen, dass herausragende Künstler diese DNA immer wieder auffrischen.“ In der Folge kam es zu unzähligen Kooperationen mit Künstlern von Rang: Kiki Smith, Shahzia Sikander, Diana Al-Hadid, Nick Cave oder die Zwillingsbrüder Doug und Mike Starn empfing man in München und viele von ihnen wurden Teil der, wie Petra Mayer lachend hinzufügt, „bisweilen auch etwas dysfunktionalen“ Mayer-Künstlerfamilie. So hat das Haus neben der Privatwohnung der Mayers auch drei Ateliers, in denen die Künstler während der gemeinsamen Projekte wohnen können. Morgens begegnet man sich bereits beim Frühstück, abends sitzt man vor dem Kamin und „streift im Gespräch die Welt und das Leben, wie man es jeweils sieht“. Die persönliche Beziehung zu den Künstlern hat seit jeher Tradition und ist heute vielleicht noch enger gestrickt als jemals zuvor. Die Künstler kommen mit ihren Ideen und Entwürfen und vor Ort werden dann flexibel und passioniert anspruchsvolle, teilweise vom Aufwand her wirtschaftlich unvernünftig anmutende technische Lösungen gefunden, um diese Ideen in Glas- oder Mosaikkunst umzuwandeln.

Neben den Künstlern gehören auch die 40 Mitarbeiter quasi zur Familie. „Ein wenig hat das schon etwas von einer Kommune“, erläutert Petra Mayer augenzwinkernd das Zusammenarbeiten und -leben im Haus. „Unsere Mitarbeiter sind alle hochtalentierte, sensible Menschen, die mit ihrem Handwerk helfen, Kunst zu schaffen. Sie brauchen auch emotionalen Halt, einen geschützten Raum.“ Mit dem „geschützten Raum“ wären wir dann auch wieder beim Bild von der Mayer’schen Hofkunstanstalt als eine Art Kloster, das bei aller Weltvergessenheit, bei aller meditativen Abgeschiedenheit dennoch den Zustand der Welt vor der Tür, die Themen der Gegenwart mithilfe der Mayer-Künstler gestalterisch gebrochen feinnervig spiegelt. Das geht aber nur, wenn man achtsam und nachhaltig arbeitet und wirtschaftet. „Wir haben aktuell ziemlich genau die Größe, die zu uns passt“, erklärt Petra Mayer und erteilt so dem allseits vorherrschenden Wachstumswahn eine klare Absage. Deshalb stört es sie auch nicht, wenn sie immer mal wieder einem Bayerisch intonierten „Der Mayer, ja gibt’s den a no? Macht der imma no seine Glasbuidl?“ begegnet. Ja, macht er. Und was für welche!

Bildrechte: Sammy Hart (Porträt Petra und Michael Mayer, Atelier Fensterwand, Doug und Mike Starn in der Werkstatt, Werkstattbild sakrale Glaskunst, Edition 17.0 Jan Hendrix); Mayer´sche Hofkunstanstalt (Ausschnitt Mosaik Nick Cave, Mosaik Nick Cave im Entstehen, Mosaik Marcel Dzama); MTA Arts & Design/Cheryl Hageman (Mosaik Nick Cave Gesamtansicht)