Fortuny
Magische Gegenstände
Der 1871 im andalusischen Granada als Sohn eines Künstlers geborene Mariano Fortuny y Madrazo hatte zwar von seinem Vater die Leidenschaft für die Malerei geerbt, doch inspiriert von seiner Heimatstadt, die seit der muslimischen Herrschaft von einer orientalischen Atmosphäre und Betriebsamkeit beseelt war, übertrug Fortuny im Laufe seines Lebens seine Kreativität auf die ganze Palette der angewandten Künste. Schon in seiner Kindheit reiste er viel und verbrachte nach dem frühen Tod des Vaters Teile seiner Jugend in Paris, wo er eine künstlerische Ausbildung bei einer Reihe namhafter Maler und Bildhauer absolvierte, sowie in Biarritz und Madrid. Bereits mit 18 Jahren ließ sich Mariano Fortuny zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester dauerhaft in Venedig nieder, einer damals aufregend kosmopolitischen Stadt, in der die westliche Kultur auf östliche Einflüsse traf. Inspiriert von der umfangreichen Stoffsammlung seiner Mutter erwarb er den Palazzo Pesaro degli Orfei in San Beneto und richtete sich dort Werkstätten und Ateliers ein. 1902 lernte er in Paris Henriette Negrin kennen, die seine Muse und Ehefrau wurde und mit ihm in das oberste Stockwerk des Palazzo zog. Was für eine glückliche Fügung, denn mit Negrin, einer Expertin für natürliche Farbstoffe und Stoffkünstlerin, begann Fortunys Abenteuer in der Textilbranche.
Schon bald entwarf das Ehepaar mit dem Delphos-Kleid einen unsterblichen modischen Meilenstein: ein filigranes Kleid aus plissierter Seide, das von Muranoglasperlen sanft beschwert in schmaler und schmeichelnder Silhouette wunderschön über den Körper fließt. Beim Entwurf hatten die beiden die Statue der Chiton von Auriga vor Augen, die 1898 in Delphi gefunden worden war. Als Hommage an die klassischen Stile des antiken Griechenlands war das Kleid eine Rebellion gegen die Moderichtungen und Modehäuser der damaligen Zeit. Es fiel vor allem durch seine reduzierte und raffinierte Form auf und zeigte die Sensibilität es Ehepaars für Bewegung und Licht, weit über Farben und Dekor hinaus. Auch heute wieder wird es nach einer von Fortuny 1909 patentierten Plissiermethode in aufwendiger Handarbeit hergestellt.
1949 starb Mariano Fortuny. Henriette verkaufte die Fabrik auf der Giudecca-Insel, in der mittlerweile Baumwollstoffe mit der von Mariano entworfenen Maschinendrucktechnik hergestellt wurden, und führte noch einige Jahre die Stoffbearbeitungsmanufaktur in ihrem Atelier im Palazzo Orfei fort, die sie der Stadt später als Museum überschrieb. 1965 starb auch sie und das Vermächtnis des Paares schien verloren. Bis der Venezianer Lino Lando es sich zur Aufgabe machte, die Geschichte fortzuschreiben. Er war 17 Jahre alt, als er Mitte der 1960er-Jahre zum ständigen Besucher des Palazzo wurde und sich oft alleine in den magischen Räumen aufhielt. Dort begann er, sich in Fortunys Notizen zu vertiefen, analysierte Stoffe und Materialien, studierte sorgfältig jede Plisseefalte auf der Suche nach ihren innersten Geheimnissen und beschäftigte sich zudem mit dem Orientalismus. Dabei entdeckte er die islamische Ornamentik neu und dechiffrierte ihre Einflüsse auf Venedig. 1984 hatte er das Plissierverfahren und das Handdrucksystem auf Seide und Samt schließlich perfektioniert und die Herstellung der verloren geglaubten Schätze konnte beginnen. Lando baute die Produktion des Palazzo Orfei, der heute Palazzo Fortuny heißt, wieder auf und setzte die Herstellung von Seiden- und Samtstoffen, Kleidern, Leuchten und Accessoires fort. Nicht nur in Bezug auf die Bewahrung von Produktionsgeheimnissen ist er Mariano Fortuny sehr ähnlich, sondern auch in puncto Qualitätsbesessenheit. So könnte man meinen, Fortuny-Leuchten seien einfach nur mit Seide bespannte und bemalte Metallobjekte, doch Lando nahm sich alleine zwei Jahre Zeit, um das Metallgestell zu rekonstruieren und eine Seide zum Bespannen zu finden, die so transparent ist, dass sie jenes magische Licht verstreut, das heute noch weltweit verzaubert.
Mit seiner Beharrlichkeit, Kreativität und der Passion für die venezianische Handwerkskunst hat Lino Lando es geschafft, das künstlerische Erbe von Henriette Negrin und Mariano Fortuny neu erblühen zu lassen. Betritt man die Boutique in München, spürt man dies sofort. Es scheint, als würde das Paar in seinen Kreationen weiterleben.

Fortuny München
Briennerstr. 9
80333 München
Tel. 089/76757782
Öffnungszeiten:
Von Montag bis Samstag
10:00 / 19:00
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