Anke Schaffelhuber

Zeitgenössische Foto-Trompe-l’oeils aus München

Voilà: La Tour Eiffel – und direkt dahinter beginnen schon die patagonischen Eisberge. Die Skyline von New York ist von Wolken umhüllt, und sie steht inmitten einer Wüste von Namibia. Und die prächtigen Champs-Élysées führen aus Paris hinaus, aus der Masse von Menschen, Autos und Häusern, hinein ins Nichts einer leeren Wüstenlandschaft. Natürlich hat hier keiner seine Erdkunde-Hausaufgaben nicht gemacht. Die Fotokünstlerin Anke Schaffelhuber lässt in ihren großformatigen Bildern ganz bewusst Welten aufeinanderprallen. Pixel für Pixel lässt sie New York mit der Wüste verschmelzen. Die Fotokünstlerin arbeitet mit Symbolen, die sie aus ihrer gewohnten Umgebung heraus- und in eine ungewohnte Umgebung hineinholt: „Durch das Unbekannte fängt der Geist doch erst an nachzudenken“, meint sie. Realität und Fiktion lösen sich in Kunst auf.

In ihrem Büro in der ehemaligen Kaserne im Münchner Westen brennt ein gemütlicher kleiner Gaskamin. 2006 hat die Diplom-Kauffrau hier eine Kommunikationsagentur gegründet, die sich vor allem in den Bereichen Tourism & Travel und Fashion & Lifestyle einen Namen gemacht hat. Die in Niederbayern groß Gewordene ist ganz entspannt, bittet überpünktlich zum Gespräch und steigt dann gleich voll ein. Mit einem Leuchten in den Augen erzählt sie, wie sie zum Fotografieren kam: 2003 war das, auf einer Reise nach Namibia und Botswana. „Dort sind Mensch und Natur noch eine Einheit. Die Gegenwart ist die einzig wichtige Zeitzone.“ Anke Schaffelhuber ist in ihrem Element. Auf dieser Reise entstehen Tausende und Abertausende Fotografien. Die junge Frau taucht mit allen Sinnen ein in Flora und Fauna, wird ein Teil dieser Welt.

Nach dieser ersten Fotosafari kauft sie alles, was an Fotobüchern auf dem Markt ist und liest sich in die Materie ein. Die Quereinsteigerin bringt sich alles selbst bei. „Jeden Morgen habe ich mich ganz konsequent daran gemacht, das Gelesene auszuprobieren“, erinnert sie sich. Praxiserfahrung sammelt sie auf unzähligen Reisen: allein 18-mal ins südliche Afrika, aber auch nach Bhutan, Bali, Patagonien, auf die Seychellen und die Malediven. Ihr Agenturbusiness bringt es mit sich, dass sie viel herumkommt, die schönsten Flecken der Erde für ihre Kunden besucht. Sie verbindet diese Reisen mit dem Fotografieren. „Beim Fotografieren finde ich Frieden und Muße – weil ich auf die eine richtige Szene warte“, sagt die Vielgereiste: „Meist entsteht die Vision für ein Bild beim Fotografieren des zweiten Motivs. Dann habe ich das Bild, mit dem ich das neue Foto verbinden möchte, bereits im Archiv. Und beim Fotografieren des neuen Motivs entsteht die Idee für das neue Werk. Es kann aber auch sein, dass ich plötzlich weiß, womit ich ein Bild kombinieren möchte – zum Beispiel unter der Dusche …“, lacht sie.

Aber es zieht sie auch in die Großstädte, nach New York, Bangkok, Buenos Aires, London oder Paris, die ihrerseits eine unwiderstehliche Faszination ausüben, und die im krassen Gegensatz zur Unberührtheit und Ursprünglichkeit der Natur Afrikas, Asiens oder Südamerikas stehen. Anke Schaffelhuber lauscht hier wie dort den Geschichten, die diese Orte erzählen, vom Werden der Menschheit, ihren Wegen und Abwegen, ihren Freuden und Hoffnungen, Leiden und Lasten. In den überdimensionalen digitalen Fotografien, manche drei Meter breit und bis zu drei Meter hoch, vereint die Künstlerin auf faszinierende Weise diese Welten für einen magischen Moment miteinander, die den Betrachter mit teils witzigen, teils aber auch aufrüttelnden ästhetischen Visionen überraschen. In den zeitgenössischen Foto-Trompe-l’oeils trifft die pulsierende Hektik der Megacitys auf unberührte Natur. Es sind Ansichten unserer Erde, die zum einen Teil der gewohnten Wahrnehmung sind, sich dann jedoch gerade dieser Gewohnheit entziehen. Sie existieren nicht. Doch Anke Schaffelhubers Werke verführen gerade dazu, genau diese Existenz anzunehmen. „Die Kunst führt Widersprüche zusammen, indem sie Materie durch Geist überlistet und Zeit und Struktur aushebelt“, weiß Schaffelhuber. Sie erschafft mit ihren geografisch unmöglichen Bildern eine neue Welt, die so real erscheinen soll, dass die Illusion wie Realität wirkt. Um diesen Effekt zu erhalten, sucht die Künstlerin aus einer Unzahl von Fotografien die passenden heraus. Sie müssen in Farbe, Perspektive und Tiefenschärfe übereinstimmen, Vorder- und Hintergründe müssen sorgfältigst angepasst werden, sowie Farbverläufe, Schatten und Lichtkegel. „Oft dauert es über 100 Stunden, bis ein Bild fertig ist“, erklärt die Wahl-Münchnerin.

Und so entstehen selten mehr als ein paar Bilder pro Jahr, die allerdings bereits eine stattliche Fangemeinde in der ganzen Welt haben. Zu den deutschen Sammlern gehören Persönlichkeiten wie Boris Becker und Sônia Bogner und Kunstsammler wie Prof. Hans Georg Näder. Auch sie werden vor den manchmal bis zu neun Quadratmeter großen Bildern stehen und auf visuelle Jagd gehen, um die vielen kleinen versteckten Botschaften zu entdecken. Für die Werke werden fünfstellige Summen bezahlt, von denen ein Teil immer an Charity-Projekte in Afrika geht. Auch Michael Käfer gehört zu den Fans der Fotokünstlerin. Sein erstes Bild bekam er zum 50. Geburtstag von der Künstlerin persönlich überreicht: Es ist der „LBR“, der Lilac-Breasted Roller, der Anke Schaffelhuber 2003 in Botswana vor die Linse flog. Sie nennt es ihr „Glücksbringer-Bild“. Es ist ganz am Anfang entstanden, als sich alles fügte: „Bevor ich die Kunst gefunden habe, fehlte mir etwas“, sagt sie, „erst jetzt bin ich vollständig!“