Marin Montagut

Marin Montagut
48 Rue Madame
F-75006 Paris
Tel. 0033/9/81225344

www.marinmontagut.com

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Eine flaschengrün gestrichene Ladenfassade, eine breitgestreifte Markise und die Zahl 48 in großen goldenenLettern: Wir stehen in der Pariser Rue Madameim sechsten Arrondissement, vor uns die Boutique desKünstlers Marin Montagut. Im Schaufenster tummeln sich Geschirr,Figuren, Mobiles und Seidentücher. Und wer über dieTürschwelle tritt, meint beinahe, wie Alice mitten in dem vonLewis Carroll kreierten Wunderland gelandet zu sein. Die Reise beginnt mit der Glocke an der Eingangstür, die den Besuchankündigt und einlädt in ein beinahe unwirklich scheinendes,akribisch geordneter Wirrwarr an Kreationen. Das Eichenparkettknarzt beim Gehen, im Nebenraum geht es in sechseckigedunkelrote Bodenfliesen und eine Werkstatt über. Wandschränkebis zur Decke und blattgoldgestempelte Tapeten erzählenhier vom Zauber vergangener Zeiten. Die Luft ist erfüllt vonDuftkerzenaromen, parfümierter Papeterie und frischer Farbe:Hier wird nicht nur verkauft, sondern auch künstlerisch gearbeitet.

Marin Montagut ist der Kreateur dieses kunterbunten Kosmos,der sich bei eingehender Betrachtung als ein Antiquitätenladen,gespickt mit illustrierten Objekten aller Art, entpuppt.Geboren und aufgewachsen als Sohn eines Kunsthändlerpaaresin Toulouse, entflammte in ihm schon früh die Leidenschaft fürschöne Dinge, Alltagsgegenstände mit einem gewissen Extrasowie Mobiliar und Wohn-Accessoires aus längst vergangenen Zeiten. „Neben meinenEltern hat mich auch meineGroßmutter sehr geprägt. Siewar eine begabte Malerinund hat schon in meiner frühen Kindheit viel mit mir gezeichnet“,erinnert sich der39-Jährige. „Wenn wir verreistsind, hatte ich immereinen Aquarellkasten dabei.“Seine frühen Motive warenGegenstände, die ihm beiFlohmarktbesuchen oder inAntiquitätenläden begegneten. Mittlerweile als Künstler,Designer und Autor etabliert,zeichnet er noch immer Eindrückeaus seinem Alltag.„Am meisten sprudeln die Ideen, wenn ich durch die Stadt spaziere“, erzählt er. SeineEntwürfe sollen seine Liebe zu Paris ausdrücken sowie die Ästhetikund den Genuss des Pariser Lebens zelebrieren. An einPicknick im Jardin du Luxembourg etwa erinnert Tafelgeschirrmit Orangenbäumen oder pinkfarbenen und gelben Blumen.Gläser zieren Botschaften wie „Amour“ oder „Amitié“, umranktvon Kleeblatt- und Herzchen-Symbolen. Aber auch antike Möbel und natürlich die Pariser Wahrzeichen sind für ihneine ewige Inspirationsquelle. Dabei bemalt er alles, was ihm begegnet und von dem er denkt, dass es dem späteren Besitzerein Lächeln ins Gesicht zaubere.

Sein Herz verlor Montagut schon früh an „die Stadt des Lichts“, wie er Paris nennt. Und so kehrte er 2004 als 20-Jährigernach seinem Kunststudium am Londoner Central SaintMartins College of Art and Design nach Frankreich zurück und stürzte sich mitten hinein in das bunte Pariser Treiben voller Lebensfreude und Savoir-vivre. Zunächst assistierte er als Dekorateur bei Filmproduktionen, später begann er, im Antiquitätengeschäft „Le Garage“ zu arbeiten. Erstmals als Illustratormachte er 2015 mit seinem liebevoll gezeichneten und wie eine Schatzkarte gestalteten Stadtführer „Bonjour Paris!“ von sich reden. Es folgten Ausgaben für New York und London, weitere Bücher und sogar eine sonntägliche Fernsehserie namens„MAPS“ auf Paris Première, die Montagut auf Ausflügenmit dem Motorroller zu seinen Lieblingsadressen begleitete.So wurden große französischeMarken wie Roger Vivier,Diptyque oder Pierre Frey auf ihn aufmerksam, für dieer verschiedene Papeterie-Produkte entwarf. „Ich liebedie Freiheit, meine Kreativitätausleben zu können und meine Umgebung beimZeichnen immer wieder neuzu entdecken“, beschreibt erseine Passion.

2016 wagte Montagut den nächsten großen Schritt:Er gründete sein eigenes Label. Seine Kollektion verkaufte er online und etwas später dann auch im berühmtenKaufhaus Le Bon Marché.Doch auch dieKreationen anderer,vor allem kleiner Boutiquenund Familienunternehmen, die er aufseinen Streifzügen durchdie Pariser Straßen entdeckte, hatten es ihm seitjeher angetan. Für den Bildband Verborgene Schätze inParis“, der im letzten Herbst im Dumont Verlag erschien, hat er sich ein Geschäft nach dem anderenangesehen und mit den Inhaberngesprochen. „Es gibt so viele faszinierende Geschichten hinter den verschiedenenHandwerksberufen zu entdecken“,schwärmt der Franzose. In verschiedenen Arrondissements stöberte er stundenlangdurch jahrhundertealte Werkstätten, Manufakturenund Traditionsgeschäfte für Stuckaturen,Kräuter oder Pastellkreiden.

Um dieser Faszination mehr Raum geben zu können, eröffnete auch er vor drei Jahren ein eigenesGeschäft. In Saint-German-des-Prés unweit seines Lieblingsparks Jardin du Luxembourg, einem Quartier, dessen Flair von kunstinteressierten Parisern und Touristen lebt, fand er die perfekte Location: die ehemaligen Gemäuer der Polsterer-Familie Péquignot, die dort fast ein halbes Jahrhundert arbeitete. Architektin Giovanna de Bosredon vom Auguri Studio hat die 70 qm große Ladenfläche als einen Mix aus Appartement und Atelier konzipiert, die einen Einblick in den kreativen Charakter des Künstlers gewährt. In einer Art Apothekerschrank mit offenen Fächern und Dutzenden kleiner Schubladen stapeln sich seine kunterbunt bemalten Porzellan- und Glaswaren, Kissen, Schachteln, Duftkerzen und Geheimbücher, die er nach einem Vorbild aus dem 18. Jahrhundert kreiert. Damals wurden Buch- Attrappen mit kleinen Hohlräumen versehen, um darin Kostbarkeiten aufzubewahren. Boudoir-Charme zaubern die alten Möbel herein, die der Designer immer wieder aufspürt und zum Verkauf ausstellt. Zuletzt gehörten dazu Bistromöbel des berühmten Café de Flore, dem er auch seine jüngste Porzellan-Kollektion widmet. „Es ist eine Ehre für mich, diesen historischen Ort in Aquarell festzuhalten, ohne den Paris nicht Paris wäre.“ Vom Croissant- Motiv auf Tellern und Tischsets über die als Notizbuch interpretierte Speisekarte bis hin zu einem Seidentuch, auf dem u. a. ein Roman-Cover von Stammgast Simone de Beauvoir abgebildet ist, taucht er in die Geschichte des 1887 eröffneten Restaurants ein. Seine Wirkstätte, sein Atelier, verbirgt sich hinter einer Tür und macht das kunterbunte Ladengeschäft vollkommen. Hier kann man sämtliche Kreationen vom Meister personalisieren lassen. Auch das Hôtel Ritz liebt seine individuellen Kreationen und ließ ihn kürzlich Schals, Kissen und Services entwerfen und signieren. Und Montagut träumt bereits von seinen nächsten Projekten: „Mein Wunsch wäre es, einmal ein Pariser Hotel oder eine Boutique vollständig zu dekorieren.“

Bildrechte: Romain Ricard (alle Moodbilder)