Der ewig Lernende

Dieter Meier, 76 Jahre alt, in Zürich geboren, Vater dreier Töchter und zweier Söhne, Platten-Millionär mit den Elektropop-Legenden Yello und sehr geschickter Investor, einen Winzer zu nennen, greift viel zu kurz. Er selbst nennt sich einen „Maître de Rien“, einen Meister des Nichts, und meint damit die enorme Zufälligkeit des einzelnen Menschen und seiner Existenz und sein persönliches Streben, am Ende lächelnd von diesem Planeten zu verschwinden.
Auf den ersten, entfernten Blick wirkt diese zenartige Philosophie etwas verschroben und erinnert an den jungen ehemaligen Jurastudenten Meier, der als Konzeptkünstler in den frühen Siebzigerjahren in New York City jedem Passanten eine Dollarnote in die Hand drückte, der ihm mit einem deutlichen „Yes“ oder „No“ Aufmerksamkeit schenkte – bis er sich zurück in Zürich als professioneller Pokerspieler der sentimentalen Sucht des Spiels ergab. Doch hört man Meier heute selbst über seine Lebensphilosophie plaudern, bekommt dieses pralle Leben eine sehr sympathische und demütige Leichtigkeit. Und das ist erstaunlich, denn was hat dieser Mann nicht alles gemacht und macht es größtenteils noch immer: Neben dem Musiker-, Unternehmer-, Pokerspielerund Künstlersein feierte er auch Erfolge als Filmregisseur, Schriftsteller, Schauspieler und Designer, als Weinhändler und Chocolatier und als Junioren-Nationalspieler im Golfsport. In Zürich (Bärengasse!), Berlin, Frankfurt und Mendoza kennt man ihn als Restaurateur, in ganz Argentinien als Rinderzüchter, Winzer und neuerdings als Nuss- und Honigproduzenten. Ein Universalgenie, zumindest ein Multitalent? Da winkt Meier schelmisch ab. Er sei kein besonders fleißiger Mensch, lasse gerne die Gedanken schweifen, bis heute beflügelt von einer geradezu kindlichen Neugier, daher die Vielfalt. Alles, was er mache, mache er Hand in Hand und im Dialog mit Experten, nur deshalb gelinge es. Das scheint zu funktionieren, sehr gut sogar.
In jenen wilden Siebzigerjahren kam der Schweizer Weltenbummler das erste Mal nach Argentinien in Begleitung seines Vaters, der sich aus einfachen Verhältnissen bis zum Bankier hochgearbeitet hatte und von dem er lernte, das Geld ein Werkzeug wie eine Künstlerpalette sein kann. Die Weite des Landes wurde seine Sehnsucht, zwei Jahrzehnte lang. Der ewige Dandy mit Schnauzbart, Halstuch und Seidensocken, der sich jeden Morgen eine Runde Rudern auferlegt und fast jeden Abend eine schnelle Runde Golf mit leichtem Gepäck, der jeden Mittag die gleiche dreifache Portion Salat mit zwei hartgekochten Eiern und etwas Bio-Lachs zu sich nimmt, ist auch ein König des Kontinuums. Und das musste er auch sein, um seine Vision so lange am Leben zu erhalten, bis er 1996 in der Provinz Buenos Aires die Estancia „Ojo de Agua“ (Auge des Wassers) erwarb und begann, Naturprodukte in Bio-Qualität herzustellen. Das legendäre Anwesen, das einst als Zuchtbetrieb die schnellsten Pferde der Welt hervorbrachte, ist auch heute noch mit seinem „Winner Spirit“ das Kreativzentrum für Dieter Meiers argentinische Geschäfte und Namenspatron der gesamten Unternehmensgruppe. Tausende (!) Hektar Land besitzt der Popstar mittlerweile am Fuße der Anden, lässt zehntausende Rinder in der Pampa Húmeda grasen, produziert in Patagonien Baumnüsse und Honig und in seinen Weinbergen in Mendoza einige der erfolgreichsten Bio-Rotweine der Welt.
In den Gläsern der Connaisseure war Argentinien Ende der Neunzigerjahre noch ein Rotwein-Findelkind. Man hatte Kalifornien willkommen geheißen, später auch Südafrika und mit etwas Skepsis Australien. Gängige Rebsorten, viel Holz, großes Orchester, kleines Risiko. Aber Argentinien, das Land der Gauchos, so trocken und windig, wo die Weine wie das Blut der Ochsensteaks schmecken? Der blitzgescheite Autodidakt Dieter Meier hatte früh die besondere Fruchtbarkeit des Landes verstanden und dass die geografische Lage und die Klimazonen es tatsächlich möglich machen, auf höchstem Niveau biologisch anzubauen. Die Böden seines Weinguts in Mendoza wurden in Jahrmillionen mit Schwemmstoffen aus den Anden mineralisiert. Während der fünfmonatigen Reifezeit der Trauben gibt es keinen Niederschlag und damit auch keinen Pilzbefall, weder Unkraut noch Schädlinge, gegen die man wie andernorts selbst im Bio-Weinbau vorgehen müsste. Tröpfchenweise werden die Rebstöcke mit Schmelzwasser aus den Anden bewässert und die Trauben erst geerntet, wenn sie den idealen Reifegrad und ihre volle Frucht entwickelt haben. Die Reinheit der Frucht reichert Meier, wenn überhaupt, nur dezent mit Holz an, das er für ein überschätztes Qualitätsversprechen hält. Nicht zufällig trägt seine erfolgreichste Weinlinie den Namen PURO. Fruchtintensive Rotweine wie der PURO Malbec (1) und der PURO Malbec Cabernet (2), die eine lokale Identität haben, wie Meier sie so schätzt, und die das Parfum des Holzes nicht brauchen, weil sie ihre unbändige Kraft und ihren stolzen Körper aus der perfekt gereiften Traube ziehen. Ja, natürlich sind das ein Stück weit Sommerweine, Balkon-, Terrassen-, Gartenweine, die auch ganz großartig zum Grillen passen. Zu profan? Gewiss nicht! Denn dürfen Weine nicht einfach Freude machen?
Dieter Meier ist ein Großmeister des Genusses, der den Wert des Essenziellen kennt. Wissen ist für ihn die Grundlage des Genusses und damit hat er recht. Ist die Freude an seinen PURO-Weinen nicht ungleich größer, wenn man diese Geschichte kennt? Sein Lieblingsprodukt ist übrigens die Kartoffel, deren begleitende Größe und Zurückhaltung – ihm selbst nicht unähnlich – er überaus schätzt. Gerne mit etwas Osietra und einem Schuss eiskalten Wodka, aber das muss nicht sein. Hauptsache, die Kartoffel ist gut. Ob er einst lächelnd von diesem Planeten verschwinden wird? Die Chancen stehen gut. Was für ein Wein, was für ein Leben!