Bethan Laura Wood

„Das erste Objekt, das ich jemals designt habe?“ Bethan Laura Wood überlegt und denkt zurück an ihre Kindertage: „Da müsste ich meine Mummy fragen. Ich weiß nur noch, dass ich schon sehr früh begonnen habe, Objekte aus Pappmaché, etwa Frösche oder Vögel, zu formen.“ Der Beginn einer Passion für das Dreidimensionale und einer künstlerischen Reise, die die 1983 in Shropshire in den West Midlands geborene Designern später an die University of Brighton führte, wo sie 2006 ein 3-D-Design-Studium mit Auszeichnung abschloss, bevor sie dann das berühmte Royal College of Art in London besuchte. Dort studierte sie Produktdesign bei Jurgen Bey und Martino Gamper und machte 2009 ihren Master. Eine prägende Zeit, noch heute zählen ihre damaligen Mentoren und Lehrer, neben Designikonen wie Ettore Sottsass, zu ihren wichtigsten Vorbildern. Schon in ihrem Abschlussjahr als Studentin gründete die Britin ihr eigenes Studio „WOOD London“, an das sich sukzessive berühmte Möbel- und Lifestyle-Marken auf der Suche nach dem Besonderen wandten. Große Erfolge folgten auf kleine Erfolge und heute kann Bethan Laura Wood auf eine imponierende Liste an Kooperationen mit Auftraggebern wie Rosenthal, Kvadrat, Moroso, Hermès, Dior oder Perrier-Jouët zurückblicken. Daneben werden ihre Arbeiten in hoch angesehenen internationalen Museen, z. B. im Museum of Contemporary Art MOT in Tokio, im Victoria and Albert Museum in London und in den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden, ausgestellt.

Was aber ist so besonders an ihren Arbeiten? Welche die unverwechselbare Handschrift, die dem bemerkenswerten Erfolg zugrunde liegt? Wirft man einen ersten Blick auf die Entwürfe der Designerin, etwa auf den „Meisen Vanity“-Schminktisch, dessen Holzfurniere von den japanischen Kimonos aus Meisen-Seide inspiriert sind, fällt sofort die überbordende Farbigkeit auf, die den Betrachter entweder kaltlässt oder ihn sofort fasziniert. Ein Aspekt von Farbe als Gestaltungsmittel, den die 39-Jährige überaus schätzt. „Auf Farbe reagieren Menschen sehr spontan. Positiv, negativ oder indifferent, ohne dass sie genau sagen könnten, warum. Diese Reaktion hat mich schon immer interessiert und damit spiele ich“, erläutert sie und beschreibt so nebenbei, was man als das Zentrum ihres Designansatzes sehen könnte: den Versuch, so unmittelbar wie möglich mit dem Betrachter der Entwürfe zu kommunizieren und eine Beziehung aufzubauen. Spricht man mit ihr über ihre Arbeit, verwendet sie häufig das Verb connect (dt. verbinden).

Wood wünscht sich aber nicht nur, dass ihre Designs mit dem Betrachter oder Benutzer eine Verbindung eingehen, auch ihre eigene kreative Herangehensweise ist primär ein Prozess des Sich-Verbindens. Und das in einem sehr direkten physischen Sinne: Wenn sie gebeten wird, etwas für eine Marke zu entwerfen, bekommt sie dafür nicht selten eine gestalterische Carte blanche. Die Designerin setzt sich dann zuerst vor Ort in den Produktionsstätten des Herstellers detailliert mit den dort verarbeiteten Materialien und Fabrikationsprozessen auseinander und spricht mit den Facharbeitern und Handwerkern. Berührt alles, saugt alles auf und „verdaut“, so sagt sie selbst, die Eindrücke. Oft entstehen erst dann die Ideen für ein Produkt, das am Ende der Kooperation stehen könnte. Ein Produkt, das das Wesen der Marke und Woods künstlerischen Umgang damit gleichermaßen repräsentieren soll. „Die Kooperation mit Rosenthal zum Beispiel war extrem spannend. Das lange tradierte Know-how, die Präzision in der Verarbeitung, der ganz spezielle
Ton, der verwendet wird, und dann die eindrucksvolle Firmengeschichte, das alles hat mich wirklich begeistert“, schwärmt sie. Und so ist die in gewagten Farbtönen wie Koralle und Tiefgrün gehaltene Porzellan-Serie Tongue ein Musterbeispiel dafür, zu welch eindrucksvollen Resultaten diese Herangehensweise des Sich-Verbindens, des persönlichen Verdauens und des Sich-Aneignens führen kann. Auch eigentlich triviale Materialien, für die die Künstlerin ein Faible hat, können auf diese Art eine fantastische Umdeutung erfahren, eine ebenso spielerische wie durchdachte Rekontextualisierung. Etwa die poetische Lampe „Totem“, die aus mundgeblasenem Pyrex-Glas, das man eher von preiswerten hitzebeständigen Auflaufformen kennt, gearbeitet ist, oder die Intarsienarbeit des Schränkchens „Particle“ aus profanem Laminat.

Neben Farben, Materialien und dem engen Kontakt zu Kunsthandwerkern sind es vor allem Orte („environments“), die Bethan Laura Wood inspirieren und in die sie am liebsten in aller Ruhe eintaucht. Das Echo ausgedehnter Reisen nach Asien, Italien oder Mexiko hallt in ihrem Œuvre nach. Vor allem Großstädte faszinieren sie, weil sich dort die komplexen Schichtungen verschiedener historischer Epochen mit der gegenwärtigen Alltagskultur mischen. Als leidenschaftliche Sammlerin pflegt sie eine Obsession für Flohmärkte, die ihr Londoner Apartment prägt. Hier gehen ein magentafarbener und ein kobaltblauer Staubwedel aus China oder ein violett gestreifter türkischer Besen Hand in Hand mit Designklassikern wie Ettore Sottsass’ „Ultrafragola“-Wandspiegel oder dem „Mini-Totem No. 1“. Alles fügt sich, ebenso wie ihre Arbeit, auf scheinbar magische Art und Weise zu einem lebensfrohen Gesamtkunstwerk, dessen Reiz aus einem facettenreichen Mix von Einflüssen besteht, die nur auf den ersten Blick nicht zusammenpassen. Ein Zusammenfügen, das allerdings nur in ihrer Vorstellungskraft stattfindet, denn eines kann sie sich nur schwer vorstellen: Dinge, die ihr gefallen, ganz real zu zerstückeln und in etwas Neues zu verwandeln, wie etwa ihr Lehrer Martino Gamper, der in seinem Projekt „100 Chairs in 100 Days“ 100 ausrangierte Stühle vollständig zerlegt und zu neuen Stühlen zusammensetzt. „Das könnte ich nicht“, betont Wood, die Sammlerin und man sieht ihr an, dass ihr alleine die Vorstellung, Hand an eines der wundervollen Dinge anzulegen, mit denen sie sich umgibt, einen kalten Schauer über den Rücken jagt.

Bildrechte: Canapé-Skulptur/Mark Cocksedge