Pagani Utopia Roadster
Ein Fahrzeug von Horacio Pagani ist nicht einfach nur ein Sportwagen. Ein Pagani ist eine Rarität, ein Kunstwerk und eine Kapitalanlage zugleich. Zonda, Huayra und Utopia – mit nur drei Modellen in 25 Jahren Firmengeschichte, die der heute 69-Jährige ebenso clever wie lukrativ in diversen Kleinstserien variierte, gelang es ihm, zu einer Ikone des Sportwagenbaus zu werden. Manche meinen auch, zum König Midas der Hypercars. Ein Segment, das der gebürtige Südamerikaner mit einer Kühnheit mitbegründete, die man ihm schon früh anmerkte.
1955 im argentinischen Casilda zur Welt gekommen, verschlang er schon als Kind alles, was über europäische Sportwagen zu finden war. Mit elf Jahren zeichnete er erste Modelle und schnitzte sie aus Balsaholz, mit 17 baute Pagani sich aus einer Glasfaserkarosserie und einer schrottreifen Renault Dauphine sein erstes eigenes Auto. Studiengänge wie Industriedesign und Maschinenbau langweilten ihn bald und er eröffnete stattdessen eine Konstruktionswerkstatt. Mit 23 Jahren präsentierte der Tüftler den Entwurf eines Caravans, bald darauf konstruierte er einen Formel-2-Rennwagen. Als 28-Jähriger verließ er die Heimat und wagte den Sprung nach Italien zu Lamborghini, wo er schnell Verantwortung übertragen bekam. 1991 gab Pagani sein Angestelltenleben wieder auf und gründete seine erste italienische Firma Modena-Design, mit der er früh Carbonwerkstoffe entwickelte und große Namen wie die Scuderia Ferrari belieferte und dies bis heute tut. Doch seine Kunden bediente der Visionär nur tagsüber. Nachts und in seiner Freizeit feilte er an seinem Sportwagentraum. Bereits 1993 zeigte Pagani auf dem Automobilsalon in Genf einen Prototyp. Noch vor Ort konnte er den damaligen Mercedes-Chefingenieur Dieter Zetsche dafür begeistern, ihm einen 450 PS starken Sechsliter-12-Zylinder-Motor zu liefern, denn Motor und Getriebe waren das Einzige, was er nicht selbst konstruieren wollte. 1999 war der Bolide endlich serienreif und Pagani benannte ihn nach dem argentinischen Föhnwind Zonda. So begann vor einem Vierteljahrhundert in San Cesario sul Panaro bei Modena die Geschichte der Hypercar-Manufaktur Pagani Automobili.
In knapp 20 Jahren fertigte der Autobauer 140 höchst individuelle Zondas und dazu 16 Exemplare für die Rennstrecke. 2012 folgte mit dem Huayra das zweite Modell, eher eine Zonda-Evolution, von dem bis heute genau 300 Stück gebaut wurden. Auch für diesen Pagani lieferte Mercedes-AMG den Antrieb, der weiterentwickelte V12 erreichte 730 PS. Mit dem dritten Modell Utopia kommen wir nun in der Gegenwart an: 99 Stück wurden vom Utopia Coupe produziert, der jüngst vorgestellte Roadster ist auf 130 Exemplare limitiert, Sonderserien und Einzelstücke sind zu erwarten. Derzeit wird ein Wagen pro Woche montiert. Der im Utopia wie gewohnt hinter den Sitzen verbaute 6-Liter-V12 von Mercedes-AMG leistet jetzt 864 PS und 1.100 Nm und ist für eine Beschleunigung von 0 bis 100 km/h in 3,1 Sekunden und eine Spitze von 350 km/h gut. Lange Zeit waren das Zahlen nicht von dieser Welt. Nur, abgesehen von der Höchstgeschwindigkeit, erlebt man solche Leistungswerte heute auch in familientauglichen Boliden, wie ein Blick auf die nächsten Seiten zeigt. Und für einen Pagani bekommt man 40 Stück davon! Was also ist für Horacio Pagani im Zeitalter der Elektrifizierung ein Hypercar? Kurz gesagt: ein Kunstwerk. Kostbar und exklusiv. Während er auf Elektromotoren und sichtbare Elektronik möglichst verzichtet – einerseits gibt es im weitgehend analogen Cockpit nur ein dezentes zentrales Display, andererseits können die speziellen Pirelli-Reifen über Sensoren mit den Assistenzsystemen kommunizieren – treibt Pagani die Handwerkskunst auf die Spitze. Ganz im Geiste Leonardo da Vincis soll jedes einzelne Bauteil nicht nur konstruktiv sinnvoll, sondern auch ästhetisch sein. In einem Pagani darf es keine unschönen Rückseiten geben. Deshalb lässt sich auch der Utopia Roadster mit wenigen Handgriffen bis auf das Chassis entblättern und bestaunen (und besonders apart mit zwei Lederriemen verriegeln). Das Lenkrad wird 28 Stunden lang aus einem 43-Kilo-Leichtmetallblock gefräst, bis am Ende ein 1,6 Kilogramm leichter Rohling übrigbleibt, der wie ein Schmuckstück verziert wird. Auch die Pedalerie und die Schaltkulisse des 7-Gang-Getriebes sind eine Augenweide. Wer allerdings ein Herz für die Handarbeit bei AMG in Affalterbach hat, wählt statt des Handschalters, den sich Stammkunden ausdrücklich gewünscht haben, das alternative sequenzielle Getriebe.
Der Sportwagenmanufaktur Pagani Automobili geht es übrigens blendend. Die Werkshallen werden gerade erweitert, die Söhne Leonardo und Christopher streben die Nachfolge im über 200-köpfigen Familienunternehmen an. Patron Horacio gilt als überaus vermögend, unter anderem besitzt er eine der exklusivsten Sportwagen-Sammlungen der Welt, darunter auch einige seltene Porsches wie den Carrera GTZ von Zagato, von dem es nur eine Handvoll geben soll. Pagani hat ihn trotzdem nach seinen eigenen Vorstellungen modifiziert.