Globe-Trotter
Ist das noch britisches Understatement oder schon echte Coolness? Globe-Trotter ist eine der unbekanntesten Kultmarken weltweit. Koffer für Kenner. Alltagsbegleiter für Manufaktur- Ästheten. Allein in Großbritannien ist Globe-Trotter seit Langem eine edle Selbstverständlichkeit, eine Hülle voll Heimat in der Ferne, jedes handgearbeitete Stück eine Schatulle voll mit köstlichen Lebenserinnerungen.

Gegründet wurde Globe-Trotter 1897 in Deutschland, genauer gesagt in Sachsen. Der Brite David Nelken zeigte sich begeistert von den Möglichkeiten vulkanisierter Faserplatten, die dank ihres Gummianteils nicht nur robuster und wetterbeständiger als die sonst zur Gepäckherstellung genutzten einfachen Faserplatten waren, sondern auch bedeutend leichter, da sie weniger Materialstärke brauchten. Entrepreneur Nelken, der sich die optimale Mischung seines neuen Wundermaterials 1901 patentieren ließ, verlegte den Sitz des Unternehmens alsbald in seine englische Heimat. Und so werden in Hertfordshire bis heute zum Teil auf Maschinen aus der Viktorianischen Ära Gepäckstücke, Alltagsbegleiter und Lifestyle-Accessoires in aufwendiger Handarbeit gefertigt, deren
grundlegende Fertigungsschritte und die dafür notwendige Handwerkskunst sich seit den Gründertagen des Unternehmens nicht geändert haben.

Bekannt wurde die Marke durch ein Experiment, als sich im damaligen Zoologischen Garten Hamburg ein eine Tonne schwerer Elefant auf einen Koffer stellte und das Gepäckstück dies überstand: Die Abbildung diente jahrzehntelang als Katalogmotiv und Anzeigensujet. Das erste berühmte Testimonial wurde im selben Jahr auf tragische Weise Captain Robert Falcon Scott, der auf seiner gescheiterten Südpol-Expedition einen Globe-Trotter mit sich führte, wovon es ein beeindruckendes Foto gibt. Viele sollten folgen: Sir Winston Churchill, der ohne seinen Globe-Trotter-Aktenkoffer weder das Haus noch Downing Street verließ, bis dieser geradezu ikonisch zum Teil seiner Persönlichkeit wurde, nur noch übertroffen von der obligatorischen Zigarre (und zuweilen seinem Homburg Hat). Oder Queen Elizabeth II., die für ihre Hochzeitsreise mit Prinz Philipp Reisegepäck von Globe-Trotter wählte, das sie noch heute besitzt und gelegentlich benutzt. Die Queen schätzte früh das Privileg dieser Manufaktur-Produkte: Man kann sie reparieren, sie bekommen Patina und werden immer schöner, sie wachsen einem ans Herz. Belastbar wie Leder und so leicht wie Aluminium wandern sie oft über Generationen hinweg mit. Auch Sir Edmund Hillary brach 1953 mit seinen Globe-Trotters in den Himalaya auf, um sich erfolgreich an die Erstbesteigung des Mount Everest zu wagen. Noch Generationen von Social Media entfernt, waren diese printpräsenten Werbeträger ebenso wichtig wie glaubwürdig für ein Unternehmen, das sich mittlerweile selbstbewusst den Slogan „The World’s Most Famous Suitcase“ gegeben hatte. Nach etwas ruhigeren Jahrzehnten, in denen die Kunden neben der Langlebigkeit auch die Individualisierungsmöglichkeiten zu schätzen lernten – alles was denkbar war, war prinzipiell auch machbar, wenn man genügend Geduld aufbrachte – und sich der Sammlerkreis kontinuierlich erweiterte, erkannte Globe-Trotter ab der Jahrtausendwende zunehmend die Chancen, die im Customizing lagen: als Bühne für Kooperationen mit anderen Kultmarken. Klug wählte das Management dafür nicht nur britische Trendsetter wie Paul Smith, sondern blickte auch auf das europäische Festland und darüber hinaus: Gucci und Missoni brachten Liebe zum Muster und italienische Farbenfröhlichkeit ins Spiel, Hermès französische Noblesse, Tiffany & Co. sofortigen Wiedererkennungswert und Comme des Garçons japanische Reduktion.

Heute kann man Daniel Craig in „No Time to Die“ dabei zusehen, wie er mit einem Globe-Trotter an der Hand seinem filmischen Ende entgegenballert: Die sophisticated-stylishe Limited Edition ist selbstverständlich ein Bestseller. Genauso wie die von Tyler the Creator präsentierte bonbonbunte Kollektion des amerikanischen Trendlabels GOLF le FLEUR*, die die stilistische Bandbreite der britischen Koffermanufaktur nochmals ausreizt. Zu deren Portfolio gehören mittlerweile auch Spezialitäten wie Schmuck- und Uhrenkoffer, die sich nicht nur auf Reisen, sondern auch im heimischen Schlafzimmer sehr gut machen, clevere Vanity Cases, die Schmuck und Kosmetik in einem Gepäckstück kombinieren, praktische Messenger Cases und kleine Manufaktur-Schmuckstücke im Handtaschen- und Herrenhandtaschenformat. Und für den Menschen, der schon alles hat: sogar Poker- und Cocktail-Sets (mit Alessi-Ausstattung). Vor allem aber ist das Customizing nun auch online möglich. Innerhalb von nur zwei Wochen sollen die individuellen Designs weltweit beim Kunden sein, der meist eine Kundin ist. Damit erweitert die Marke, die bisher neben ihren Flagship-Stores in London und Tokio nur über einige wenige handverlesene Verkaufsstellen verfügt, ihre „Reichweite“ schon mal subtil. Doch vielleicht ändert sich das ja bald, denn vor zwei Jahren übernahm der britische Finanzinvestor Oakley Capital, der auch Hackett und Alessi zu seinen Beteiligungen zählt, die Mehrheit an Globe-Trotter. Die Manufaktur in Hertfordshire mit ihren rund 100 Mitarbeitern bleibt
unverändert erhalten, doch die Präsenz wird verstärkt. Neben einer Shop-Neueröffnung in Paris steht auch Deutschland auf der Agenda. Weitere kleine feine Stores sollen folgen. Und so wird aus einer der unbekanntesten Kultmarken weltweit wohl schon bald eine etwas bekanntere – in ganz kleinen, wohlgesetzten Schritten.