Poschinger Glasmanufaktur

Freiherr von Poschinger Glasmanufaktur
Moosauhütte 14
94258 Frauenau
Tel. 09926/94010
www.poschinger.de

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Der Bell Table von ClassiCon, der neue Kristallthron für die Venusgrotte auf Schloss Linderhof und die Duftglocken im Armani-Store in Mailand – unterschiedlicher könnte diese Aufzählung kaum sein. Und doch haben alle Gegenstände eines gemeinsam: Sie wurden in der Freiherr von Poschinger Glasmanufaktur in Frauenau gefertigt. Der Bayerische Wald gilt als die deutsche Wiege der Glasmacherkunst. Und neben Theresienthal und Zwiesel Kristallglas ist die Manufaktur von Poschinger wohl die bekannteste Glashütte und die mit der längsten Tradition.

Bereits 1568 wurde sie von Joachim Poschinger gegründet, der damals mit der Herstellung von Gebrauchsglas wie Medizinfläschchen, Einmachgläsern oder Perlen für Rosenkränze begann. Heute dagegen konzentriert man sich auf Sonderanfertigungen und Kooperationen mit namhaften Designgrößen wie Sebastian Herkner oder Werner Aisslinger. „Unsere Produktion hat sich zwar verändert, nicht jedoch das Handwerk an sich“, erklärt Inhaber Benedikt Freiherr von Poschinger bei unserem Besuch in seiner Glashütte, die 1848 im Ortsteil Moosau gebaut wurde. „Handgriffe und Werkzeuge sind noch die gleichen wie vor 1.000 Jahren.“ Der 49-Jährige selbst ist kein ausgebildeter Glasmacher. Er hat Forstwirtschaft studiert, ehe ihm das Unternehmen in 15. Generation von seinem Vater übergeben wurde. Was in den Räumen der Hütte vor sich geht, weiß er dennoch genau und nimmt uns mit auf einen Rundgang vorbei an Wassertrögen, schweren Maschinen sowie Buchenholz- und Graphitformen, genannt Modl. Hunderte davon stehen in den Wandregalen, Tausende sind als Vorlage in Zeichenbüchern aus den letzten Jahrzehnten festgehalten.

150 bis 200 Artikel lassen sich mit einer Holzform herstellen, ehe sie sich verzieht und eine neue gedrechselt werden muss. Auch abgesehen davon entstehen regelmäßig neue Formen für Sonderanfertigungen. „In den letzten Jahren mussten wir umdenken“, erläutert von Poschinger. „Alltagsglas in großer Stückzahl von Hand zu fertigen war irgendwann nicht mehr rentabel.“ So verlor die ursprüngliche Kernkompetenz der Firma, die zu ihren Hochzeiten in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg fast 400 Mitarbeiter zählte und im späten 19. Jahrhundert sogar wesentlich am Ausbau des Straßen- und Schienennetzes im Bayerischen Wald beteiligt war, nach und nach an Bedeutung und man beschloss vor 20 Jahren, sich umzuorientieren. „Wer einen ausgefallenen Wunsch aus Glas hat, der kann heute jederzeit zu uns kommen“, resümiert der Firmenchef. Neben Einzelaufträgen konzentriert sich die Manufaktur wie bereits erwähnt vor allem auf Kooperationen mit Künstlern, Architekten und Beleuchtungsexperten und sorgt in den unterschiedlichsten Bereichen für den letzten Feinschliff: von der Lichtabdeckung für Flugzeuge und Yachten über klassische Vasen und Lampen bis hin zu individuellen Gläserserien für Sterne-Restaurants. Doch egal, wie unterschiedlich die Produkte auch sind, die Reise jedes einzelnen beginnt im glühenden Herzen der Firma, dem 1.200 °C heißen Schmelzofen. Jeden Nachmittag rührt ein Schmelzer die Rohstoffe (hauptsächlich Scherben, Pottasche, Quarzsand und Soda) in Schütten zusammen, ehe sie über Nacht zehn Stunden mit Erdgas im Ofen erhitzt werden. Bis zum Morgen hat sich das Gemisch verflüssigt und die Glasmacher können mit ihrer Arbeit beginnen.

Mit einer Glasmacherpfeife (Stahlrohr mit Mundstück) entnehmen sie einem der mit je einer Tonne flüssigem Glas gefüllten Häfen (einzelne Tiegel im Ofen) einen Posten, den sie zur groben Formgebung marbeln (hin und her wälzen), um ihn anschließend mit der Pfeife leicht aufzublasen. Nach weiterem Erhitzen, Drehen, Blasen und Marbeln wird das heiße Glas in die Buchenholzform eingeblasen. Dabei werkeln die Handwerker nach alter Tradition in Teams von drei bis sechs Personen, was bedeutet, dass jeder nur einen Teil des Herstellungsprozesses ausführt und das Werkstück danach einem Kollegen gibt, der den nächsten Schritt übernimmt. Beim Beobachten wirkt das Zusammenspiel wie ein leichtfüßiger Tanz, der allerdings neben viel Präzision und Kraft (die Glasposten wiegen bis zu 16 Kilo) jahrelange Erfahrung erfordert. „Die Geschwindigkeit, in der wir arbeiten, folgt dem Glas. Man muss immer genau beobachten, wie es sich beim Drehen verhält“, bestätigt Miguel Schwenk, einer von sechs Glasmachern der Manufaktur. „Am schwierigsten ist die Herstellung eines dünnen Stiels, etwa für ein Weinglas. Das übernehmen deshalb hauptsächlich die Meister.“

Passt die Form, müssen die immer noch über 300 °C heißen Rohlinge für die weitere Verarbeitung abkühlen. Kleinere fahren deshalb drei bis vier Stunden auf einem Fließband durch eine Kühlung, in der die Temperatur behutsam immer weiter gesenkt wird; größere landen aus Platzgründen direkt in einem Elektro-Kühlofen. Danach geht es an die Feinarbeit. In der Nachbearbeitung wird überstehendes Glas durch Anritzen und gezieltes Erhitzen mittels einer Gasflamme abgesprengt, ehe das fast fertige Werk geschliffen, poliert und auf seine Qualität geprüft wird. 70 bis 200 Produkte werden so täglich in der Manufaktur von Poschinger hergestellt. Langweilig wird es dabei nicht. „Heute möchte eine Familie eine Urne für ihren verstorbenen Labrador haben, morgen eine Künstlerin ihr Schmuckprojekt verwirklicht sehen“, so der Fabrikant. „Momentan arbeiten wir zum Beispiel an einer Glocke für ein tschechisches Baudenkmal.“ Je ausgefallener die Aufträge und je unterschiedlicher die Bereiche, aus denen sie kommen, desto spannender ist es für die Glasmacher. „Ausloten, was im Bereich Glas alles möglich ist, das macht die Arbeit unserer Manufaktur aus“, unterstreicht von Poschinger.