Roja Dove

ROJA Parfums sind erhältlich bei:
Oberpollinger
Neuhauser Straße 18
80331 München
www.rojaparfums.com

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Klassizist mit Vision – Roja Dove

Roja Dove ist die wohl schillerndste Figur der Parfümbranche: Parfümhistoriker, -autor und -sammler, Parfümeur und nicht zuletzt Schöpfer seiner eigenen Duftkollektion ROJA Parfums. Wir trafen den Exzentriker zum gepflegten Parfümplausch.

Die Vöglein pfeifen, eine sanfte Brise weht durch sattgrüne Baumkronen, die Sonne streut Lichtflecken auf die Lounge-Möbel eines Münchner Hotels und inmitten dieses kleinen Idylls sitzt Roja Dove, standesgemäß in eine aufsehenerregende goldgelbe Schlangenlederjacke gewandet und dem Anschein nach konzentriert telefonierend. Als wir ankommen, beendet er das Telefonat sofort, denn Mr. Dove ist von jener Höflichkeit, die man gerne als typisch britisch bezeichnet. Etwas exzentrisch ja, diven- oder allürenhaft keinesfalls. Wer aber ist der Mann, über dessen Namen man, wenn man sich für Düfte interessiert, zwingend immer wieder stolpert und der als „Urgestein“ der Branche und als „unverwüstlich“ beschrieben wird? Ein Parfümbesessener, der seiner Leidenschaft mit dem Launch seiner eigenen Linie die Krone aufsetzen konnte und dessen Weg einem in der Retrospektive fast schicksalhaft vorgezeichnet scheint: Seine ersten Dufterinnerungen sind der Geruch des Gesichtspuders seiner Mutter beim Gute-Nacht-Kuss und der Geruch eines Lederbandes, das er als Kind kaute. Später, als junger Mann wird er zum Parfüm-Connaisseur und -Sammler. Fasziniert von Guerlain beginnt er über das berühmte Parfümhaus zu recherchieren und zu schreiben, Robert Guerlain wird auf ihn aufmerksam, holt ihn ins Unternehmen. Auf einmal befindet er sich mitten im Zentrum der Parfümwelt, kann hinter die Kulissen blicken und zum Beispiel die Arbeitsweise der Lieferanten feinster Rohstoffe, wie etwa Robertet in Grasse, studieren. Er publiziert weiter, verfasst ein einschlägiges Buch, hält Vorträge, gibt Schulungen und schnell nennen sie ihn bei Guerlain den „Parfümprofessor“.

Nur der ganz große Traum, die eigene Kollektion, lässt noch auf sich warten. 2011 ist es dann so weit. Zuerst nur bei Harrods in London erhältlich, hat sich seine Linie mittlerweile ins Herz vieler Liebhaber geschlichen, die die Nische in der Nische suchen, das Exklusive im ohnehin schon Exklusiven. Vollkommen ohne Werbung, aber von den relevanten Bloggern und den Mitgliedern von Parfümforen promotet, die alles unerbittlich abstrafen, was nur teuer, aber nicht gut ist, haben die Düfte inzwischen Kultstatus. Was aber macht seine Kreationen im Kern aus, was macht sie besonders? Jedes Parfümhaus, das etwas auf sich hält, hat eine eigene Handschrift, eine Art DNA, die sich in allen Parfüms wiederfindet. Im Falle Guerlains ist das die berühmte „Guerlinade“, die sich als eine Art „dreckige Vanille mit Kräutern“ beschreiben lässt. Auf die DNA seiner Düfte befragt, beginnen seine Augen in Versalien „AMBER“ zu funkeln, man spürt sofort seine Passion für diesen klassischen, 1905 von Meisterparfümeur François Coty erstmals eingesetztem Akkord aus Labdanum, Benzoin und Vanille. Amber ist subtil sinnlich, riecht nach warmer Haut, gleicht einem Kuss auf einen warmen Hals, wenige Momente nachdem ein Schal ausgezogen wurde. Neben Amber findet sich in fast allen seinen Düften Jasmine de Grasse, die teuerste Jasminvariante, die durch sogenannte Indole einen für die französische Dufttradition typischen, leicht animalischen Touch hat und einem Parfüm zusätzliche Tiefe und Komplexität verleiht. Bei der Wahl dieser DNA stand vor allem eine „evolutionäre“ Betrachtung des Einsatzes von Parfüm im Vordergrund, eine Sicht, nach der ein Parfüm hauptsächlich sexy und sinnlich machen oder sich zumindest für einen selbst sexy und sinnlich anfühlen soll. Seine Kreationen sind allerdings niemals laut, sie wispern Sex eher subtil und verlassen nie den Rahmen der Eleganz. Das mag an der Qualität der Zutaten, die verwendet werden und der Konzentration seiner Düfte liegen, denn ROJA-Parfüms sind stets ausschließlich als reines Parfüm erhältlich. Während man auch unter günstigen Designerdüften interessante Kompositionen finden kann, wird man hier nie feine Düfte finden, ein Umstand, der den wenig üppigen Budgetvorgaben der großen Firmen geschuldet ist.

Überhaupt bezieht sich Roja Dove bei allem Glamour auf die französische Haute Parfumerie. Ob er sich vor diesem Hintergrund als Klassizist versteht, wollen wir wissen und ernten ein klares „Jein“. Natürlich hat er die Klassiker immer und immer wieder studiert, 40 Jahre lange Guerlains „Mitsouko“ oder „Vol de Nuit“ und Carons „Tabac Blond“ getragen, in seinem Buch „Perfume“ nimmt die Beschreibung der 100 berühmtesten Düfte fast die Hälfte des Umfangs ein. Dennoch fühlt er sich dem Heute und dem Morgen verpflichtet. Als Beispiel illustriert die aktuelle Tutti Frutti-Serie diese Synthese aus Alt und Neu, eine Serie, in der er die seit Jahrhunderten eingesetzte arabische Duftnote Oud (Adlerholz) mit Noten von Desserts, sogenannten Gourmandnoten verbindet, um dem Wunsch nach modernen Varianten rund um die althergebrachte Zutat nachzukommen. Wir riechen und lächeln: Das Experiment funktioniert ganz wunderbar. Seinen sehr intuitiven, künstlerischen Ansatz verrät seine neue Schöpfung „A Goodnight Kiss“: Die oben erwähnte konkrete Erinnerung an den Gute-Nacht-Kuss seiner Mutter lässt ihn eine nostalgische, pudrige Note nehmen, ein Miniparfüm im Parfüm und um diesen Nukleus eine Abstraktion der Geborgenheit, die von Gute-Nacht-Küssen ausgeht, zu gestalten. Das Resultat ist Parfümkunst hohen Ranges, da hier das Individuelle bravourös abstrahiert und allgemeinverständlich kommuniziert wird. Ebenso empfehlenswert ist seine neue Serie „Parfum De La Nuit“, die sich tagsüber nicht gelebten, verborgenen Sehnsüchten und Leidenschaften widmet.

Nach gut zwei Stunden Gespräch und den Düften, die wir testen konnten, sind wir in jeder Hinsicht bezaubert: Roja Dove hat eine klare, spürbare künstlerisch-emotionale Vision, die auf unantastbarem Handwerk fußt, ist ein packender Erzähler und Kommunikator. Seine Düfte haben menschliche Tiefe, was seiner persönlichen Herangehensweise, die sich auch in kleinsten Details der Gestaltung der Flakons und Verpackungen spiegelt, und den vielen Begegnungen mit Kunden geschuldet ist, für die er auch exklusive „bespoke perfumes“ kreiert. Seine Parfüms sind Werke eines Künstlers für Kunstfreunde.