Willy Verginer
Studio d’Arte Raffaelli
Palazzo Wolkenstein
Via Marchetti 17
I-38122 Trento
Aktuelle Ausstellung:
17. Dez. 2024 bis 31. April 2025
Ein großer Berg Holzschnitzel ist das Erste, was uns in Willy Verginers Atelier in St. Ulrich ins Auge fällt. Ebenso die feine Schicht Holzstaub, die auf dem Boden, den Arbeitstischen und den Tonentwürfen in den Regalen liegt. Was dagegen völlig fehlt, ist der Duft des Naturmaterials. „Ich verwende beinahe ausschließlich durchgetrocknetes, fünf Jahre gelagertes Lindenholz und das hat keinen spezifischen Eigengeruch“, erklärt der Künstler und führt uns durch seine Schaffenswelt, in der jene ausdrucksstarken kolorierten Holzskulpturen entstehen, die mit ihrem hohen Wiedererkennungswert über die Grenzen Südtirols hinaus für Begeisterung sorgen.
Ein großes Interesse an Kunst hatte der Bildhauer, der seine Worte stets mit einem für ihn charakteristischen Bedacht wählt, schon während seiner Kindheit. Aufgewachsen im Grödnertal, das seit dem 17. Jahrhundert weit über die Region hinaus für sakrale Holzbildhauerei, Altarbau und seine Holzspielzeugindustrie berühmt ist, war er früh mit lokalem Handwerk vertraut. Auch in seinem eigenen Zuhause, denn die Mutter kolorierte in Hausarbeit Hunderte industriell gefertigter Holzfiguren und der kleine Willy saß oft mit ihr am Stubentisch und malte derweil Aquarelle. Einmal, während eines Spazierganges mit seinem Vater, begegnete ihnen ein Landschaftsmaler, der mit Staffelei und Pinsel seiner Arbeit nachging. „Ich wollte sofort wissen, was er macht“, erzählt uns Verginer. „Der ist Künstler, erklärte mein Vater, und ich wusste gleich, das will ich auch sein. Dass er dazu noch anmerkte, das sei kein Beruf, ignorierte ich einfach.“ Diese Begegnung wurde tatsächlich zum Erweckungserlebnis einer Künstlerkarriere, die nicht immer glatt lief, sondern von Brüchen, Krisen und Neuorientierungen geprägt war.
Als junger Mann studierte Willy Verginer Malerei an der traditionsreichen Kunstschule in St. Ulrich, die 1825 gegründet wurde, um die lokale Holzkunst zu fördern. Doch statt sich nach seinem Abschluss als Maler zu verdingen, landete er dann auch sogleich in einer Holzwerkstatt. Dort begann Verginer noch einmal neu und erlernte die Bildhauerkunst. 20 Jahre lang fertigte er Arbeiten für Kirchen an und ernährte damit seine Familie. Doch richtig zufrieden war er nie, stattdessen immer auf der Suche nach etwas, das ihn mehr erfüllen könnte. Irgendwann entschloss sich der Südtiroler dazu, mehr freie Kunst zu machen. Neben der Arbeit in der Holzwerkstatt erschuf er – u. a. beeinflusst von der Arte Povera, die mit Alltagsmaterialien arbeitet –abstrakte dreidimensionale Werke aus Holz, Ästen und anderen Naturmaterialien. Diese Plastiken erwiesen sich jedoch als kreative Sackgasse, Verginer fühlte sich eingeengt. Eine von Experimenten, Krisen und Blockaden geprägte Dekade folgte, in der er weiter nach einer eigenen künstlerischen Sprache suchte. Die Befreiung kam schließlich mit einem Porträt, das der heute 67-Jährige von einem seiner Söhne anfertigte und das ihm den Weg vom Abstrakten hin zum Konkreten wies. Mitte der Nullerjahre überraschte er die Kunstwelt mit seinen figurativen Holzskulpturen, für die er heute international gefeiert wird.
Bildrechte: Egon Dejori; Andrea Artz