Bernd Gruber – Wandel der berührt

Alpine Architektur wandelt sich gerade. Äußerlich wird sie ein klein wenig geradliniger, nicht viel und auch nicht überall. Aber im Inneren ist die Veränderung deutlich zu spüren. Ja, tatsächlich, zu spüren. Alpines Interior-Design changierte jahrzehntelang zwischen allen Nuancen von Braun. Holz durfte und sollte sichtbar sein. Gemütlichkeit erwuchs aus Üppigkeit. Ein Kisschen hier, schwere Stoffe dort, auch Geweihe waren gern gesehen und sei es nur als Dekor. Wallfahrtsorte des Ornaments. Das ändert sich gerade, die Räume werden wieder leerer, die Gebäude öffnen sich zur umgebenden Natur. Und: Oberflächen ersetzen das Ornament mit ihrer Schönheit und ihrem Berührungsglück. Der Tastsinn vermittelt Geborgenheit, die Augen erholen sich still.

Im Interior-Design geben heute Generalisten den Ton an, die sich nicht mehr vom Hauptarchitekten Räume vor die Nase setzen lassen, die sie dann hübsch mit Möbeln und Dekor auffüllen. Moderne Wohndesigner beginnen bei den Menschen und entwickeln die Wohnräume federführend von innen nach außen. Und dazu suchen sie dann den passenden Architekten. Alles kommt aus einer Hand, alles hat eine Handschrift. Niemand – weder Innenarchitekt noch Architekt oder Handwerker – muss mit gestalterischer Wucht seine Daseinsberechtigung unterstreichen. Im Mittelpunkt steht allein das Wohnraum-Wohlgefühl der Bewohner. Ein schönes Beispiel dieser Entwicklung zum federführenden Generalisten ist die Bernd Gruber GmbH, die vor 50 Jahren noch eine regionale Handwerks-Tischlerei in Stuhlfelden war. Als sie Bernd Gruber 1992 nach seinem Abschluss als einer der jüngsten Tischlermeister Österreichs von seinem Vater übernahm, setzte er ein Wachstum in Gang, das neben immer umfassenderen Gestaltungsaufgaben auch zu einer räumlichen Ausdehnung bei den Projekten und Standorten führte. Neben der Manufaktur in den Pinzgauer Alpen besteht das Unternehmen heute aus einem Planungsbüro in Aurach bei Kitzbühel sowie Ateliers in Wien und München. Mit dieser Manpower realisiert das Team Projekte in Kitzbühel, Zürich und München genauso wie auf Sylt, in Los Angeles oder Marbella und betreut dabei das gesamte Spektrum: vom ersten Workshop über die Architektensuche bis hin zur hochqualitativen Umsetzung.

Für Philipp Hoflehner, Creative Director und Mitinhaber bei Bernd Gruber, ist die Internationalität der beteiligten Personen heutzutage der Schlüssel zu einer ebenso anspruchsvollen wie zeitlosen Gestaltung. Das gilt nicht nur für die mittlerweile multinationalen Designerteams, sondern auch für die Klientel mit ihrem oft weitgefächerten ethnischen oder zumindest weitgereisten Background. Diese Wurzeln und Wünsche möglichst ganzheitlich zu erfassen, geschieht früh in intensiven Workshops, in denen man bei Bernd Gruber als Werkzeug auch die Empathie nicht scheut. Das Ergebnis sind Lebensräume wie das jüngst unter der Regie von Hoflehner und seinem Team entstandene Einfamilienhaus in Reith bei Kitzbühel: Gestalterischer Leitfaden ist das Spiel mit glatten und groben Oberflächen und eine sehr reduzierte Linienführung. So entsteht eine zeitlose Eleganz vor einem kraftvollen Panorama, nach dem man geradezu greifen möchte. Harmonische Grautöne und Sichtbeton über alle Ebenen werden als verbindendes Element eingesetzt und durch wenige kräftige Farbakzente, wie dem Orange im Masterschlafzimmer, ergänzt. Die Möblierung ist eine Mischung aus Vintage-Stücken, Individualanfertigungen und Designklassikern, etwa dem Sofa von Living Divani im Main Living Room. Alles fühlt sich sehr gut an. Doch trotz aller Pretiosen sind die Räume selbst die eigentlichen Pretiosen – und der Mensch, der sie bewohnt. Das ist neu im Alpenraum. Ein Hochgefühl im Wohngefühl.

Text von: Frank Schoch

Bildrechte: www.alexandervanberge.nl; Porträt Philipp Hoflehner/www.urbanzintel.de